Israel oder wie Linke plötzlich Rechte protegieren

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Januar 8, 2013 von JoS

Gestern veröffentlichte marvster77 auf diesen Blog seinen Debütbeitrag, in welchem er sich für eine differenzierte Kommentierung der Nahost-Politik einsetzte. Der Blogger Alexander Nabert antwortete mit einem Beitrag „Israel bis zur grenzenlosen Welt“, in welchem er dankbarer Weise so freundlich war zu zeigen, wie es nicht geht.

Ausgehend von der These, dass die Kritik der Existenz von Nationalstaaten an sich eben alle einschließe, versucht Nabert eine Sonderstellung Israels zu begründen. Dies tut er, indem er sagt, die Gründung Israels sei die notwendige Reaktion auf den Holocaust als Höhepunkt des weltweiten Antisemitismus. Ist dem so? Eigentlich nicht, denn was sich hier als philosemitische Argumentation tarnt ist nichts anderes als billiger Antisemitismus. Warum das?

Die Gründung ist, historisch betrachtet, eine Reaktion auf die antisemitischen Verbrechen im Zuge des zweiten Weltkrieges. Dies steht sicher außer Frage. Diese Staatsgründung wurde aber vor allem deswegen notwendig, da sich andere europäische Staaten nicht zur Integration der jüdischen Bevölkerung bereit erklärten. Man griff somit auf ein bewährtes Mittel zurück: Früher ein Stadtteil, heute ein Staat. Die Gründung des Staates Israel kann man auch einfach als Ghettoisierung größeren Stils begreifen. Und noch einmal zur Erinnerung: Jüdische Ghettos sind bei weitem keine Erfindung der Nazis!

Dies zieht sich auch weiter durch die Argumentation, wenn man sieht, dass Nabert Israel immer als homogenes Wesen begreift. Das ist natürlich ebenfalls Unsinn. Israel ist ein Staat mit parlamentarischer Demokratie, welcher genau so heterogen ist, wie es die meisten Staaten sind. Linke und linksliberale Israelis kritisieren entsprechend schon seit Jahren die Außen- und Innenpolitik der Regierung Netanjahu. Alles antisemitische Jüd*innen? Wohl kaum! Netanjahu ist nicht in erster Hinsicht Jude, sondern ein Konservativer. Er verfolgt, wie viele seiner Gesinnungsbrüder – und Schwestern, imperialistische Ziele und politisiert seine religiöse Gesinnung. Dies sollte von einer emanzipierten Linken immer kritisiert werden. Egal, ob es sich um Judentum, Islam, Christentum oder Pastafarismus handelt.

Im Zuge dessen sollte man auch begreifen, was man eigentlich tut, wenn man diese Kritik nicht ansetzt. Man hält den Handelnden nicht für kritikwürdig. So wie man das Verhalten kleiner Kinder in der Öffentlichkeit nicht sanktioniert, wie man es bei Erwachsenen tun würde, so wird ein Netanjahu nicht in der gleichen Weise kritisiert, wie man es bei einem Bush getan hat. Auch hier verbirgt sich eine antisemitische Argumentationsstruktur: Er kann ja nichts dafür, der arme Jüd!

Am krassesten fällt dies jedoch bei Nabert im Zuge der beiden iranischen Zitate auf. Dass dort ein paar islamistische Fundamentalisten ihren Antisemitismus ausleben ist unbestritten und Androhungen von Auslöschungen müssen internationale Sanktionen nach sich ziehen. Dies gilt übrigens auch für Äußerungen israelischer Außenminister, die arabische Minderheit in Israel als fünfte Kolonne bezeichnen oder fordern, dass in Palästina kein Stein auf dem anderen stehen bleiben sollte.

Die Überwindung von Nationalstaaten bedeutet natürlich die Überwindung verschiedener Ressentiments, auch religiöser. Die Antwort darauf mag auch Antifaschismus bedeuten. Sie darf aber keinesfalls bedeuten kontraemanzipatorische und rassistische Meinungen mitzutragen, solange sie nur von einer bestimmten Gruppe geäußert werden. Den Antisemitismus ernst nehmen, bedeutet auch, israelische Politiker*innen ernst nehmen. Oder muss es die FAZ sein, die der Linken erklärt, dass Israel […] nicht den Rechten [gehört].

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